Road to Polaris: Aufbautag und andere Lügen.

Road to Polaris: Aufbautag und andere Lügen.

Jetzt, in diesem Moment, wo ich diese Zeilen schreibe, liegen wir in unseren getrennten Betten im Hotelzimmer. Es ist Sonntagabend, draußen ist Hamburg stiller geworden, als wäre die Stadt selbst müde vom Trubel der letzten Tage.

Die Messe ist vorbei.

Alle Kartons sind gepackt, was verstaut werden konnte, ist verstaut. Das Auto ist beladen. Es gibt nichts mehr zu organisieren, nichts mehr zu testen, nichts mehr zu kleben, zu erklären, zu zeigen. Nur wir, zwei Körper, die zur Ruhe kommen – und ein Kopf, der versucht, das alles zu verarbeiten.

Ich hatte eigentlich vor, das alles zu vloggen. Wirklich. Ich wollte Eindrücke festhalten, Momente einfangen, den Aufbau dokumentieren, die Emotionen, den Trubel – all das. Aber kaum waren wir angekommen, hatte die Realität einen anderen Zeitplan. Keine Kamera kann mithalten, wenn das echte Leben losgaloppiert. Kein Plan überlebt den ersten Kontakt mit der Wirklichkeit.

Ein Auge weint, vor Erleichterung dass es vorbei ist. Das andere weint, WEIL es vorbei ist. Aber lasst mich zurückspulen:

Donnerstag, Aufbautag.

Die Halle war voller Kartons, Paletten, lose verlegter Kabel, halb aufgebauter Arcades. Wir kamen an mit dem Gedanken, alles in Ruhe vorzubereiten – doch die Orga war zu diesem Zeitpunkt deutlich hinter ihrem Plan. Kein Vorwurf, nur Feststellung: Man merkte, wie groß diese Messe doch eigentlich ist. Also haben wir improvisiert. Laptop raus, Build getestet, aufgespielt, geprüft – läuft. Kein großes Tam-Tam. Kein Feinschliff mehr. Einfach: Machen. Fertig.

Danach ging es in unser Hotel an der Reeperbahn. Ein Ort, so vibrierend wie das Licht dort nachts flackert; aber in dem Moment war das alles egal. Wir lagen einfach nur da. Kein Druck. Kein Code. Keine Präsentation mehr im Kopf. Nur Ruhe. Denn wir wussten: Am Freitag würde alles losgehen.

Und wenn es einmal losgeht, dann kennt der Takt nur eine Richtung: Vorwärts.

Freitag – Der sanfte Sturm

Freitag gilt allgemein als der milde Tag auf der Polaris. Ein bisschen ruhiger, ein bisschen luftiger; immerhin ist es ein Werktag, viele Leute kommen erst am Wochenende. Soweit die Theorie.

Denn praktisch war unser Stand vom ersten Moment an so gut besucht, dass an Pausen oder kleine Spaziergänge durch die Messehalle kaum zu denken war. Kaum war das Licht an, standen schon die ersten neugierigen Gesichter vor der Arcade-Maschine, schauten, fragten, spielten – und es riss den ganzen Tag nicht wirklich ab. Ich kam gefühlt kaum mal dazu, auch nur zu atmen, geschweige denn zu trinken.

Apropos Trinken: Unsere Getränkeplanung war… nennen wir es freundlich gesagt „optimistisch“. Der mitgebrachte Liter Fassbrause – meine persönliche Lebensader – war schneller verdunstet als der Vormittag verging. Noch bevor der Mittag kam, war ich in einem Zustand, der irgendwo zwischen „dehydriert“ und „Notfallversorgung“ pendelte. Also blieb nur der Marsch zur Getränkebar. Zwei Flaschen Fritz Kola für zusammen neun Euro. Teuer. Aber notwendig. Ich glaube, mein Kreislauf hat mir innerlich applaudiert nachdem ich beide quasi geext habe.

Aber trotz der Erschöpfung war da vor allem eins: Begeisterung. Wir haben so vielen Menschen beyond.frontiers gezeigt; manchmal auf Deutsch, manchmal auf Englisch, manchmal einfach mit Händen, Füßen und einem breiten Grinsen. Und es war wundervoll zu sehen, wie unterschiedlich die Leute reagiert haben. Manche waren tief versunken, andere direkt im Feedbackmodus, wieder andere einfach nur glücklich, eine Indie-Perle zu entdecken.

Ein echter Lichtblick an diesem Tag war auch unsere erste Begegnung mit Shiny Moon, einer der Volunteers. Schon am Freitag war klar: Diese Person wird uns durch die Messe retten. Hilfsbereit, aufmerksam, freundlich und mit einem Sonnenscheingrinsen, das so konstant war, dass ich mich gefragt habe, ob sie ein heimliches Ladegerät irgendwo trägt. Dass sie uns auch an den Folgetagen begleiten sollte, war einfach ein Glücksgriff.

Und trotz all dem Trubel war da noch ein kleiner Moment für mich selbst. Ein kurzer Gang nach Valdhaym, die Artist-Area der Messe, ein Blick nach links – und plötzlich stand ich da vor einem Stand mit handgemachten Furry-Tails und -Ears. Echte Handarbeit, liebevoll gestopft, weich, mit so viel Persönlichkeit in jeder Naht. Ich habe nicht lange überlegt. Ein Fursuit-Partial-Tail ist jetzt Teil meines Lebens.

Ich hab ich danach jeden Tag getragen und er fühlte sich… normal an, wie ein Teil. Heh. Tail. Teil. Sorry, hab mich grade selbst zum kichern gebracht. Kurz nach dem Kauf meines neuen Tails – der noch halb in der Armbeuge steckte, wurde ich übrigens prompt random interviewt. Kein „Hallo, sind Sie bereit?“, kein „Wollen Sie was sagen?“ – einfach Mikro vor die Nase, Kamera läuft. Ich weiß ehrlich gesagt nicht mehr genau, was ich gesagt habe. Ich glaube, es war irgendwas über mein Spiel und die Frage ging um mein Einkommen.

Währenddessen wurde drüben in der anderen Halle mein bester Kumpel Icu von einer Influencertruppe in Beschlag genommen; ob freiwillig oder unfreiwillig lässt sich im Nachhinein nicht mehr ganz klären. Was aber sicher ist: Beide waren wir danach… durch.

Acht Stunden Polaris sind kein Spaziergang. Offiziell läuft der Freitag von 12 bis 20 Uhr, aber mit Frühzugang ab 11 und Schließzeit für Aussteller um 21 Uhr, waren wir tatsächlich zehn Stunden auf den Beinen. Zehn Stunden reden, erklären, lächeln, zuhören, improvisieren, helfen, präsentieren.

Und danach?

Noch mal zwanzig Minuten durch Hamburg zur Unterkunft latschen, zwischen Touristen und Straßenlaternen, mit müden Füßen und matschigem Kopf.

Dann: nichts. Nur schlafen.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert