Road to Polaris: Höllensamstag
Der Samstag begann Früh. Er begann mit einem Puls, der sich schneller anfühlte als derjenige der Halle selbst. Schon auf dem Weg zum Eingang lag diese angespannte Dichte in der Luft, eine Vorahnung, wie elektrisierte Moleküle kurz vorm Gewitter. Es war der Tag, vor dem uns die Orga am Freitagabend gewarnt hatte. „Morgen wird’s voll.“ Nicht „mehr Leute“. Nicht „gut besucht“. Nein: voll. Als wäre das Gebäude selbst zu klein für das, was da kommen sollte, denn auf Social Media hieß es bereits „Ausverkauft“!
Für uns bedeutete das: Organisation auf Zehntelsekunden getaktet. Icu und ich teilten uns auf, ohne viele Worte. Ich machte mich früher auf den Weg zum Stand, um ein dringend notwendigen Patch einzuspielen. Ein kleiner, nerviger Bug ließ das Spiel beim Einbauen von Fracht- oder Generatorerweiterungen abstürzen. Icu kümmerte sich derweil um das, was man in solchen Momenten unterschätzt: Parkticket verlängern, Wasser kaufen, etwas länger schlafen. Dinge, ohne die ein Messetag schlicht scheitert. Außerdem hab ich auf dem Weg Lord of the Tape getroffen. Grüße gehen raus!
Die Arcade bootete wie gewünscht, der Build lief stabil, das UI saß; wenigstens auf dem Screen war Ordnung. Auf dem Gang war sie es nicht. Schon um halb zehn ahnte man aus dem Flurfunk: die Schlange in der Vorhalle war bereits zum Bersten gefüllt, obwohl der Einlass erst um zehn begann. Die Polaris war an diesem Samstag wirklich ausverkauft. Es gab kein „eventuell noch spontan rein“. Keine „Tageskarten an der Kasse“. Wer jetzt nicht drin war, blieb draußen. Und drinnen tobte die Vorfreude, aber auch Angst, noch bevor das Licht richtig anging.
Ich hatte mir vorgenommen, ein paar Leute auch anzusprechen, wollte dezent Präsenz zeigen. Doch schon der erste Abstecher brachte mich auf Kollisionskurs mit der Realität. Irgendwo zwischen den Indie-Ständen rannten plötzlich die Piets herum. Ich hatte es gesehen und nur gedacht, ich sprech mal Jules an. Erst Sekunden später wurde mir klar: Ich war mitten in das Streaming-Setup der PietSmiets gelaufen. Dieser peinlich-elegante Rückzug, den man einlegt, wenn man weiß: „Das war gerade live.“. Ich werd mich wohl noch Monate peinlich dran erinnern. Jules versprach, dass er Morgen nochmal vorbeikommt mit Peter und Brammen, sie haben sich leider nicht drangehalten.
Aber selbst dieser kleine Zwischenfall ging unter im Strom der kommenden Stunden. Zurück am Stand wurde ich sofort wieder absorbiert. Der Andrang war anders als am Freitag. Nicht nur dichter, sondern direkter. Die Leute kamen mit Fragen, mit Erwartungen, mit Augen, die sich bereits aus Clips, Fotos oder Flurfunk ein Bild gemacht hatten. Und dieses Bild wollten sie jetzt berühren.
Und dann war da auch noch MissMimmii da. In dem Moment, wo ich kurz Luft schnappen durfte, tauchte sie auf. Wir tauschten: Nervennahrung und ein bisschen Loot gegen Knabe Malz, weil erst Knackts, dann Knallts.
Ich hatte meine Bücher dabei, aber keine offen liegen. Das wäre zu aufdringlich gewesen, erstens keinen Platz zum auslegen, und offiziell war eh nur b.f als Ausstellung genehmigt. Stattdessen lagen sie unscheinbar unter dem Tisch in einer kleinen Tasche, zwischen Getränken und Protogens, beinahe so, als wären sie dort mehr zur Sicherheit als zur Präsentation. Insgeheim wusste ich: Ich wartete auf die richtigen Menschen. Wo der Vibe stimmte und ich mal kurz einstreuen durfte, ob jene gerne Lesen.
Und oft waren es nicht die direkt Interessierten, nicht diejenigen, die mit leuchtenden Augen vor dem Bildschirm standen und sich durch das Universum von beyond.frontiers klickten. Es waren ihre Begleitungen. Die Menschen, die einen Schritt zurücktraten, beobachteten, lauschten – und denen ich dann leise Fragen stellen konnte.
Es war eine Messe von Kreativen für Kreative und ich hatte das Gefühl, dass allein anwesend zu sein, schon für viele ein Kontaktpunkt war. Die Reaktionen waren überraschend einseitig; und genau deshalb so charmant. Während die Männer, die vorher voller Begeisterung das Spiel ausprobiert hatten, nun stolz grinsten, als hätte man ihnen noch ein Achievement in die Hand gedrückt, waren es oft ihre Partnerinnen, die das Buch in den Händen hielten, es umdrehten, darin blätterten. Die Umweltnotiz hat manche umgeworfen vor Lachen und die Prämisse gefesselt.
In solchen Augenblicken, inmitten des technischen Getöses, fühlte ich mich gesehen. Nicht als Aussteller, nicht als Entwickler, sondern als Erzähler. Als jemand, der eine Geschichte, ein Spiel und mehr in die Welt gesetzt hatte, und sie nun einfach wieder zurückgeschenkt bekam; durch ein Lächeln, durch eine Berührung (Also es gab mehr als genug Hugs auf der Messe), durch ein leises, echtes: Danke.
Als der Samstag endete, waren wir mehr als nur ein bisschen Fertig. Wir waren durcher als eine Erasco Mikrowellenmahlzeit nach 12 Minuten auf 1200W, matschiger als Dosenfleisch vom Supermarkt. Der werte Herr Gesangsverein Icu McTopfit ging noch ne Runde mit einem gewissen freien Elf trinken, ich wollt nur noch abresten. Und so endete Tag 2, und mein Kopf dröhnte langsam.