Die mit dem Knall(roten Gummiboot)

Die mit dem Knall(roten Gummiboot)

Menschenliebe und Konsumwahn sind zwei untrennbar miteinander verbundene Eigenschaften, die nur die Kühnsten unter uns mit gegenseitigem Respekt verbinden. Doch selbst diese Kühnsten erleben den Schlag ihres Lebens nach den ersten fünf Minuten in einem Discounter.

Unsere erste Begegnung mit einem Spezimen der dritten Art findet in einem früher orangenen, heute eher gelb-roten Discounter statt. Früher gab es hier die kleinen Preise, heute baut der Konzern große Scheiße, aber diesen Fakt lassen wir hier mal außen vor.


Der Einkauf an sich ist keine große Schwierigkeit an diesem grauen verregneten Tag, aber es gibt in jeder dieser Filialen ein Schild, dass nichts als verderben und Verhängnis verheißt. Weder das Schild, welches einen darauf Hinweist, das Boulevard-Magazin mit seinen Coupons zu kaufen, noch das Schild für eine alsbaldige Geldliche Transaktion, welches die Kassierer mit Geldautomaten gleichstellt verursachen so viel Leid im deutschen Einzelhandel.

Nein, mein Schrecken, und das vieler anderer Beschäftigter im Einzelhandel bezieht sich auf die ultimative Variation des Schildes.

(Hier bitte Oh-No-Meme einfügen)

Gerade dieses Schild ist es immer wieder wert, die Reaktionen mancher geistig mehr oder minder hellen Persönlichkeiten zu observieren. Oft entdeckt man grade in dieser Gegend der gedanklichen Verwesung narzisstische Anflüge gar sonderbarer Exzellenz.

Dabei ist es doch gar nicht so schwer. Wenn man es nicht ausstehen kann, Rücksicht auf eh‘ schon durch liberale Marktwirtschaft gepeinigte Lohnsklaven zu nehmen, dann brüllt man sofort nach einer neuen Kasse. Wenn man kein Arschloch ist, dann halt nicht.


Ein Beispiel gefällig? Noch letztens, Zeitraum grob obfuskiert, stand ich an einer Kasse nach einer ausgiebigen monatlichen Einkaufstour. Vor mir 3, in Worten drei, in Buchstaben D R E I, Personen, also mit mir insgesamt Vier. Ich war froh, dass so wenig los war, so konnte ich mit meinem Einkauf schnell nach Hause, ihn einpacken und die wirklich wichtigen Dinge im Leben genießen.

Doch es sollte nicht so friedlich kommen, wie ich es mir erhofft hatte, denn der Boden fing an zu beben, ähnlich der Szene aus Jurassic Park, in der sich konzentrische Ringe im Wasser bilden. Hier bildeten sich Konzentrische Ringe und Schaum in den umstehenden Plastikbierflaschen und ich sah mich um, wer denn der Verursacher eines Mittelgroßen Kopulationsbeschleunigungstsunamis sein könnte.

Schließlich fiel mein Blick auf eine Elfe, die weit jenseits der Tolkien’schen Vorstellungen gemästet wurde, zusammen mit einem Zwillings-Kinderwagen und drei völlig überdrehten Kindern. Jene Hodengoblins waren bereits dabei, das Ausstellungsdisplay der Überraschungseier auszupacken und anzulecken, welches die Mutter anscheinend nicht wirklich kümmerte.

Auf den Hinweis, dass sie geöffnete und hygienisch nicht mehr verwertbare Artikel bezahlen müsse, reagierte sie mit einem spontanen Wechsel der Tonlage. Eine engelhafte Stimmlage, kotzenden Kolibris mit Stimmbandrheuma nicht grad unähnlich, hauchte mit seichten 120db:

DSCHASTIN-MARCEL, SCHAKKELINE-MARIA UND KEVIN-PASCAL-ROBERT! JETZT KOMMT MAL FIX HIER HER, SONST MUSS MAMA DAS ALLES NOCH BEZAHLEN! GLEICH GIBT’S HIER ARSCHVOLL!

Arschvoll ist ein tolles Stichwort, denn ich hatte im Kopf den Arsch voll blöder Kommentare zu ihrem weniger sozialverträglichen (und erziehungsförderlichem) Ausbruch. DAS lass‘ ich mir nicht entgehen. Ein kurzer, musternder Blick über unsere ausgebildete Kapitänin der MS Kevinismus.

Echte Blondine, das sah man am schwarzen Haaransatz, nach der Geburt ein- oder auch zwei Mal mehr oder minder freiwillig fallen gelassen, mit Sieben sprachtechnisch schon auf Förderschulniveau. Erstes Mal mit 14, schien klasse, direkt schwanger weniger Klasse. Sie ist dann vermutlich richtig gut abgegangen – von der Schule. Doch mitten in meiner Musterung dieser Speckwaldelfe, leuchteten ihre Augen unerwartet auf

Wir waren nun 5 Personen an der Kasse. Ein älterer Herr hatte Probleme mit seinem Kleingeld, so dauerte es halt eine Minute oder länger, war für uns kein Problem, man hatte ja Rücksicht. Aber nicht für Panzermutti, Typ Marder. Man konnte sehen, wie sie in ihren tumben Schweinchenaugen langsam die Menschen an der Kasse mit den Fingern durchzählte.

Ein, zwei Finger öffneten sich an der einen Hand, dann folgten Drei und Vier, ihre Augen hafteten jedoch noch auf dem Pärchen an zweiter Stelle, die dem älteren Herren gerade beim Zählen des richtigen Kleingeldes halfen.

Weitere drei Finger öffneten sich an ihren Händen, sie zählte offenbar Einkaufswagen, Kinder und Pärchen jeweils einzeln und landete schließlich mit ihren Fingern bei einer glatten zehn. Sie setzte einen resoluten Gesichtsausdruck auf und sah nun mehr aus wie ein Orkisches Männlichkeitsritual mit dem Gewicht eines Volkswagen LT als ein Mensch. Man konnte sehen, wie sich ihr Gehirn festlegte.

Die Zahnräder sind eingerastet, die Dampfmaschine war abgekühlt, die hochwissenschaftlichen Berechnungen waren beendet. Zusammen mit ihren eigenen Kindern, den Einkaufswagen, den anderen Personen, dem Kassierer und den Zwei Kisten Kopulationsbeschleuniger, oder altdeutsch „Bier“ in ihrem eigenen Wägelchen befanden sich genau, und quantenmechanisch exakt DRÖLF Personen an der Kasse. Und weil Drölf so circa genau ungefähr mehr als 5 ist, holte sie tief Luft und  brüllte ohrenschmeichelnd in Richtung Kassierer:

„SAGEN SIE MAL, ARBEITET HIER NUR FAULES PACK? MACHEN SIE GEFÄLLIGST NOCH EINE KASSE AUF. NUR FAULE SCHMAROTZER HIER!“

Während der Rest der Kunden sie wechselseitig entgeistert und angegriffen anstarrte, giftete sie zurück:

„ICH HAB RÜCKEN!“

Ja, Momzilla. Haben wir alle. Alles was wichtig ist sogar, arme Beine, ein Rücken, Hände, Füße und in besonderen Fällen gar einen Penis!


Aber Tolkiens Vorstellung eines besonders mitgenommenen Höhlentrolls bekam (leider) ihren Wunsch. Nicht nur machte eine sauer dreinblickende Kollegin eine Kasse auf, nein, der Menschgewordene Laugenteig kam auch noch als erste dran.

Neben den weiter rumlärmenden und nun gefährlich nahe am Alkoholregal voller Glasflaschen spielenden Kindern, war ihre Bandauflagetechnik ebenso fragwürdig wie ihr Umgang mit Mitmenschen

Nicht nur legte sie alle ihren Einkauf in der atemberaubenden Geschwindigkeit von einem Teil alle fünfzehn Sekunden auf das band, nein, jede Flasche musste längs auf das Band, hintereinander, bis beide Kisten Bier leer waren. Jeder Schokoriegel, jeder Salat, jeder Orangensaft und jede Packung Bratwurst einzeln.

Nachdem die Dame an der Kasse sie darauf hinwies, dass die Ablage am bereits gescannten Ende alsbald voll war, schickte sie eines Ihrer Kinder nach draußen, noch einen Wagen holen, zusammen mit den liebevollen Worten:

„ABER MAMA BEKOMMT DEN EURO WIEDER SONST GIBT’S NACHHER KEINE BRATWURST AM SEE!“

Wer wäre da nicht als Kind seines Lebens froh, mit solchen Nähe versprechenden Sätzen in die Welt entlassen zu werden? Jedenfalls wurde mir ihr Plan vor den Augen klar – 2 Kisten Bier, Salate, Bratwurst, ein Einweggrill, Orangensaft… Mutti hat die Spendierleggings an. Es ging an den See, die Kinder dürfen planschen, am Roten Meer, sie war das Boot und ihr Opel-Omega-Kapitän darf seine Ruderstange bei ihr versenk… Oh Gott, nun wird sogar mir schlecht.

Als ich an der anderen Kasse fertig war, stand Tim Burtons Inkarnation von Godzilla immer noch an der anderen Kasse, beim Einräumen. Das meiste wurde mit der schwingen Speckfalte vom Unterarm einfach in den Wagen geschoben, der Rest achtlos entweder den Kindern in der Hand gedrückt oder etwas vorsichtiger geworfen.

Insgesamt brauchte sie Länger dafür als unsere gesamte Schlange an Kasse 2. So kann das Kommen, wenn man halt ungeduldig ist.

Mensch.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert