Road to Polaris: Ein letzter Puls

Road to Polaris: Ein letzter Puls

Als der Sonntag begann, war der Akku bereits tief im roten Bereich. Nicht nur metaphorisch – wir waren am Ende. Die Gesichter müde, die Stimmen rau, die Schultern schwer. Wir hatten drei Tage auf den Beinen gestanden, drei Tage erklärt, gelächelt, aufgepasst, diskutiert, improvisiert und das merkte man uns nun auch an. Doch trotzdem standen wir auch an diesem dritten Messetag wieder pünktlich am Stand, mit der verbliebenen Energie, die sich irgendwo zwischen Restadrenalin und purem Willen zusammensetzte.

Der Sonntag war anders. Nicht schlechter, nicht schwächer; nur… gedämpfter. Er zog ein anderes Publikum an. Menschen, die nicht zum ersten Mal da waren, sondern bewusst zurückkehrten. Besucher, die noch einmal etwas zeigen, nachfragen, ausprobieren wollten. Die ein weiteres Gespräch suchten, nicht weil sie etwas kaufen oder gewinnen wollten, sondern weil sie verstanden hatten, dass hinter der Spielwelt, die sie am Freitag oder Samstag kurz angerissen hatten, noch mehr lag. Und so kamen sie zurück mit leuchtenden Augen, manchmal mit Freunden im Schlepptau, oder mit gezückter Kamera, weil noch B-Roll für ein Projekt fehlte.

Es war auch der Tag, an dem viele Menschen mit körperlichen Einschränkungen endlich die Möglichkeit hatten, sich stressfrei und in Ruhe umzusehen. Während die lauten Menschenmassen der Vortage wie eine Flut durch die Hallen geströmt waren, öffnete der Sonntag Raum zum Durchatmen. Es war spürbar: Weniger Gedränge bedeutete mehr Begegnung, mehr Rücksicht, mehr echte Zeit. Und so entstanden ausgerechnet an diesem letzten Tag einige der ruhigsten, aber vielleicht tiefsten Gespräche über Barrieren im Gaming, über Inklusion, über eigene kreative Projekte, über den Mut, sichtbar zu werden.

Dann kam das Flüstern aus den Volunteer-Kreisen wie ein aufgeregtes Zittern durch die Besucherschlange. „Monte ist da.“ Montanablack. Als „Secret Guest“. Ohne Ankündigung, ohne Bühnenauftritt, einfach da, in der Menge. Wer die Gamescom 2024 verfolgt hatte, wusste sofort, was das bedeuten konnte: Damals hatte sich um ihn herum eine riesige Menschen-Traube gebildet, eine Art aggressives Fan-Magnetfeld, das wie eine Abrissbirne durch Gänge und Sicherheitskonzepte fegte, ohne Rücksicht auf andere, ohne Verständnis für Raum, für Mitmenschen, für Grenzen.

Doch hier, auf der Polaris, geschah… nichts dergleichen. Ich sah ihn zufällig. Zwischen dem Munchi-Markt und Valdhaym, eine der unauffälligen Mittelgänge, durch die sich die Leute sonst eher auf dem Weg zur Toilette oder zur nächsten Miso-Suppe bewegten. Er war da. Mit zwei Securitys. Aber um ihn herum? Keine Masse. Kein Gedränge. Niemand. Die meisten Menschen gingen einfach weiter, vielleicht ein kurzer Seitenblick, ein Raunen, ein „Ach, der ist’s“. Kein Kreischen, kein Selfie-Kollaps, keine spontane Staulawine. Und ich meine, in seinem Gesicht etwas zu sehen; einen Hauch von Verstimmung, vielleicht sogar Verwunderung darüber, dass sich das Messeuniversum nicht automatisch um ihn drehte. Dass es hier nicht um Reichweite ging, sondern um Verbindung.

Und genau das, dachte ich mir, ist vielleicht das schönste Fazit dieser Messe. Dass sie Raum lässt. Nicht für die Lautesten, sondern für die Echtesten. Dass sie Kreativität feiert, nicht Popularität. Und dass sie sogar dann noch leuchtet, wenn der Akku längst leer ist.

Während die letzten Besucher an unserem Stand vorbeizogen, manche mit einem letzten Dankeschön, andere mit einem stillen Blick zurück, begann bereits das große Verstauen: Controller wurden abgezogen, Flyer zusammengelegt, übrig gebliebene Sticker eingesackt, Kabel um die Hand gewickelt, Tische freigeräumt. Und ganz langsam wich das Messeflimmern der Erkenntnis: Es ist vorbei.

Aber nicht spurlos. Nicht einfach nur „abgehakt“. Es hallt nach; in Stimmen, in Gesichtern, in Momenten. Und vielleicht, ganz vielleicht, auch in dem einen oder anderen Buch, das jetzt irgendwo aufgeschlagen liegt.

Danke, Polaris. Wir sehen uns in 2026.

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