Nach 30 Jahren, ein Ende des Traumas
Ich hasse meine Vornamen. Bis heute, 06.02.25, 9:28 Uhr, hieß ich offiziell „René Marcel“. Ein Name, der schon in der Grundschule immer wieder als Grund für Mobbing galt – Coole Kinder hießen Kevin, Dustin, Torben, aber nicht René. Die Lehrer nutzten das Vorlesen der Namen immer für die wildesten Betonungen – „Rhöenne“, „Rainee“, „Renn-ee“ und was sie nicht alles zum Amüsement der Rest der Klasse erfunden hatten. Ich habe es gehasst.
Mit der langen Geschichte des Mobbings, mit den vielen Spitznamen, und anderen Dingen, die Zuhause passierten, habe ich schon in Früher Kindheit eine Angst vor meinem Namen entwickelt. Ein Trauma – Wenn mein Name gerufen wurde, habe ich direkt das Schlimmste vermutet (und meistens damit recht gehabt). Geworfene Steine, Prügel, missbräuchliche Sprache, das ist, was mein Kopf mit „René“ verbindet. Ablehnung, Hass, Gewalt. Deswegen entstand Dex.
Damals, nach meinem Exitus-Versuch auf einem Bahnübergang, hatte ich mich noch in der Klinik für ein Upgrade meines Alten Internet-Namens „dragon2000x“ entschieden. Auf „dragon3000x“. Über viele Umwege und Verkürzungen fingen Leute, die mich mochten und kannten an, mich Dex zu nennen. Und der Name blieb‘ hängen. Dex. Das war etwas Unabhängiges. Etwas, das nicht mit meiner Vergangenheit verbunden war – etwas das für die Zukunft gewappnet war.
Im Rahmen meiner Bewusstwerdung, in vielen Gesprächen mit Franziska, Sarah Nummer 21 und vielen anderen kristallisierte dann auch nach vielen unterschiedlichen Fremdmeinungen Katja heraus. Sie ist der Gegenpol zu dem stressigen Leben von Dex. Eine Phase der Ruhe im Sturm eines Lebens, das „selbst für mehrere Therapeuten zu viel wäre“ (Aussage Lebensbegleitung). Eine sanfte morgendliche Frühlingswiese als Kontrapunkt einer Stürmischen Nordseenacht. Katja ist das Yin zu Dex‘ Yang.
Über die Jahre sind beide gewachsen. Sie sind Institutionen an sich geworden, Markenzeichen eines Stehaufmenschen. Und immer die Ungewissheit, was oder wer ich eigentlich wirklich bin. Mit viel Zusprache, und verständnisvollen Menschen konnte ich endlich den richtigen Punkt ausmachen: Nichtbinär, Genderfluid. Katja wird niemals alleine dieses Leben leben, genausowenig wie Dex. Sie sind zwei Seiten einer Medaillie und können nicht ohne den anderen sein. Also ging es nun an den Letzten Schritt. Das SBGG.
Heute, am 06.02.25, um 09:15 Uhr habe ich die letzten Dokumente unterschrieben. Es gibt offiziell keinen „René Marcel“ mehr. Diese Namenskombi hat aufgehört, in diesem Familienkontext zu existieren. Offiziell gibt es jetzt auch einen „männliches“ Kind weniger. Denn ab heute gibt es eine diverse Person namens „Dex Katja“ stattdessen. Und das…
…ist gut so.